Die Schlafapnoe, eine Erkrankung, die durch Atempausen während des Schlafs gekennzeichnet ist, betrifft weltweit Millionen von Menschen und kann zu schwerwiegenden Gesundheitsrisiken wie Herzerkrankungen, Schlaganfall und Diabetes führen. Traditionell erfordert die Diagnose eine Übernachtung in einer Klinik für polysomnographische (PSG) Tests, die kostspielig, komplex und unbequem sind, da viele Sensoren am Körper angebracht werden müssen. Dies erschwert einen natürlichen Schlaf. Darüber hinaus kann die begrenzte Verfügbarkeit von Schlafkliniken zu langen Wartezeiten für Termine führen und so die Diagnose verzögern. Doch was wäre, wenn es eine Möglichkeit gäbe, Schlafapnoe bequem vom eigenen Bett aus zu überwachen und zu diagnostizieren? Das Team von Prof. Jorge Gonçalves hat sich zum Ziel gesetzt, die Diagnose von Schlafapnoe so zu verändern, dass Patienten ihren Schlaf zu Hause mit einfachen, bequemen Sensoren überwachen können.
Durch die Analyse von mehr als 14.000 Schlafstudienaufzeichnungen der National Sleep Research Resource entwickelten die Forscher des Luxembourg Centre for Systems Biomedicine (LCSB) an der Universität Luxemburg eine bahnbrechende Methode namens DRIVEN, die wenige tragbare Sensoren und künstliche Intelligenz nutzt, um den Schweregrad der Apnoe einzuschätzen, ohne dass aufwendige Geräte und eine Übernachtung in der Klinik erforderlich sind. Die Studie wurde kürzlich in der Zeitschrift npj Digital Medicine, einer der führenden Fachzeitschriften auf diesem Gebiet, veröffentlicht. Sie unterstreicht das Potenzial von DRIVEN, die Apnoe-Diagnose zugänglicher zu machen und die Belastung des Gesundheitswesens zu verringern.
KI für die Schlafanalyse
Die DRIVEN-Methode nutzt künstliche Intelligenz (KI) zur Analyse einiger weniger Signale wie Bauch- und Brustbewegungen und Pulsoxymetrie, die von einfach zu tragenden Sensoren erfasst werden. Diese Sensoren können zu Hause verwendet werden und liefern genügend Daten, um den Apnoe-Hypopnoe-Index (AHI) zu berechnen. Dies ist eine wichtige Kennzahl, die von Ärzten verwendet wird, um den Schweregrad der Schlafapnoe aufgrund der Anzahl der Apnoe-Ereignisse pro Stunde zu bestimmen. Der AHI-Index wird in vier Kategorien eingeteilt: gesund, leicht, mittelschwer und schwer. Die Forscher verglichen den mit ihrer DRIVEN-Methode ermittelten AHI-Wert mit dem Goldstandard, bei dem ein Arzt die Polysomnographie-Daten aus dem Schlaflabor analysiert. „Basierend auf den Daten einer einzigen Nacht und nur zwei Sensoren konnten wir 99,3 %der Patienten in die richtige AHI-Schwerekategorie (72.4%) oder eine Klasse von der richtigen entfernt (26,9%) einordnen“, erklärt Gabriela Retamales, Doktorandin in der AI Modelling and Prediction Forschungsgruppe am LCSB. „Wir gehen davon aus, dass sich die Genauigkeit weiter verbessert, wenn die Menschen diese Sensoren mehrere Nächte hintereinander tragen.“
Warum tragbare Sensoren zu bahnbrechenden Veränderungen führen können?

Bei herkömmlichen PSG-Tests werden etwa 25 Sensoren mit Kabeln am Körper befestigt, was den Patienten einen natürlichen Schlaf erschwert.
DRIVEN hingegen erreicht mit minimaler Ausrüstung eine hohe Genauigkeit.
Die Forscher fanden heraus, dass die beste Kombination aus einem Bauchbewegungssensor und einer Pulsoxymetrie besteht, mit denen Atemmuster und Sauerstoffgehalt mit minimalem Aufwand gemessen werden können.
„Es gibt keine Kabel. Die Pulsoxymetrie kann mit einer Smartwatch oder mit einem Sensor am Finger gemessen werden, während die Bauchbewegung mit einem speziellen Band und einem kleinen Gerät zur Speicherung der Daten erfasst werden kann. Die Daten werden dann am Morgen heruntergeladen. Indem wir uns auf einige wenige Schlüsselsignale konzentrieren, können wir den Patienten viel mehr Komfort bieten und den Ärzten dennoch genaue Informationen liefern“, erklärt Prof. Jorge Gonçalves, Hauptautor der Studie und Leiter der AI Modelling and Prediction Forschungsgruppe.
Schnelle und genaue Ergebnisse mit KI
Die eigentliche Innovation hinter DRIVEN ist der Einsatz von KI zur Analyse von Schlafdaten. Sie bietet eine einsatzbereite End-to-End-Lösung. Herkömmliche Methoden beruhen auf einer manuellen Extraktion von Merkmalen durch Experten: ein zeitaufwändiger und häufig subjektiver Prozess, der auch von der Gesamtschlafdauer während des Tests beeinflusst wird. DRIVEN automatisiert all diese Schritte durch tiefe neuronale Netzwerke, die aus großen Datensätzen „lernen“ und aussagekräftige Muster in Bezug auf Atmung und Sauerstoffgehalt extrahieren und die Gesamtschlafdauer berücksichtigen. Dies beschleunigt nicht nur den Diagnoseprozess, sondern schließt auch menschliche Fehler aus, die bei herkömmlichen Methoden auftreten können.
Ein neues Kapitel für die Schlafmedizin
Das Potenzial von DRIVEN geht über den reinen Komfort hinaus. Indem es eine langfristige, unbeaufsichtigte Überwachung der Schlafmuster zu Hause ermöglicht, könnte es die Kosten für die Diagnose von Schlafapnoe erheblich senken und die Ergebnisse für die Patienten verbessern. „Dieses System könnte zu einer erschwinglichen und wirksamen Lösung für Millionen von bislang nicht diagnostizierten Patienten werden“, so Prof. Jorge Gonçalves abschließend. „Meine Forschungsgruppe befasst sich zwar in erster Linie mit grundlegenden Fragen, aber ich würde gerne mit klinischen und industriellen Partnern zusammenzuarbeiten, um diese Idee in ein marktfähiges medizinisches Produkt zu verwandeln. Der Schritt von der Theorie zur Innovation könnte einen tiefgreifenden Einfluss auf die Versorgung von Patienten und deren Lebensqualität haben.“ Da sich die tragbare Gesundheitstechnologie weiterentwickelt, könnte die Zukunft der Schlafmedizin also in den Händen – oder den Handgelenken – der Menschen liegen.
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Originalveröffentlichung:
Retamales, G., Gavidia, M.E., Bausch, B. et al. Towards automatic home-based sleep apnea estimation using deep learning. npj Digit. Med. 7, 144 (2024).
Forschungsförderung:
Die Autoren dieser Arbeit werden vom Luxembourg National Research Fund (FNR) durch die Stipendien AFR/17022833 (Gabriela Retamales) und PRIDE15/10907093/CriTiCS (Marino Gavidia) gefördert.
Die in dieser Arbeit vorgestellten Experimente mit Hochleistungsrechnern für das Modelltraining und die Analyse wurden mit den HPC-Einrichtungen der Universität Luxemburg durchgeführt.
Bilderquelle: iStock.com/FG Trade (oben), iStock.com/FreshSplash und iStock.com/olegbreslavtsev (mitte)