Luxemburg kennt die Herausforderungen und Spannungen auf dem Mietmarkt nur zu gut. Ein neuer Bericht, erstellt von Politikwissenschaftlern der Universität Luxemburg in Zusammenarbeit mit Mieterschutz Lëtzebuerg, gibt nun tiefe Einblicke in belastende Erfahrungen der Mieter.
In der Studie äußerten die Mieter eine Reihe negativer Eindrücke über den Mietmarkt, wobei Ungerechtigkeit (47%) und Unsicherheit (24%) am häufigsten auftraten. Schlechte Wohnbedingungen sind ein häufig genanntes Problem: Fast jeder fünfte Mieter, der sich an Mieterschutz wandte, klagte über erhebliche Mängel in seiner Wohnung, wobei sozial schwächere Gruppen und Familien mit Kindern am stärksten betroffen waren. Schimmel oder Feuchtigkeit führen die Liste der Probleme an, gefolgt von Bau- oder Ausstattungsmängeln, Heizungsproblemen oder Wasserschäden.
Dies sind zentrale Ergebnisse der Studie „The Tenant Experience in Luxembourg’s Rental Market“, einer gemeinsamen Studie unter der Leitung von Lindsay Flynn, Professorin für Politikwissenschaften an der Universität Luxemburg. Die Untersuchung basiert auf anonymisierten Korrespondenzen zwischen fast 300 Mietern und Mieterschutz, sowie auf Fokusgruppen, in denen Mieter ihre Erfahrungen mit dem Forschungsteam teilten.
‟ Die zwischen 2022 und 2023 gesammelten Daten zeichnen ein realistisches Bild davon, was es bedeutet, in Luxemburg zu mieten. Weitere Untersuchungen sind jedoch nötig, um das Gesamtbild zu erfassen und wirksame politische Lösungsansätze zu entwickeln.”
Associate professor in Political Science
Schutzbedürftige Haushalte und mit Kindern am stärksten betroffen

Prof. Lindsay Flynn stellt Forschungsresultate während einer öffentlichen Veranstaltung vor.
Die Studie untersucht die gesammelten Mieterfahrungen in drei Phasen: bei der Wohnungssuche, während des Mietverhältnisses und bei dessen Beendigung.
- Die Wohnungssuche wird durch hohe Kosten, undurchsichtige Auswahlkriterien, Diskriminierung und oft unverständlichen Vertragsbedingungen erschwert.
- Zu den am häufigsten genannten Problemen im Laufe eines Kontraktes gehören schlechte Wohnbedingungen, unerwartete Mieterhöhungen und Streit über Reparaturzuständigkeiten.
- Beim Auszug drehen sich die Konflikte vor allem über Rückzahlung der Kaution, der Wohnungsübergabe, sowie vorzeitige Kündigung oder Räumung.
„Eine ohnehin angespannte Lage kann durch verschiedene Faktoren – menschliche, rechtliche oder vertragliche – noch verschärft werden“, erklärt Prof. Flynn. Die Mieter waren sich oft unsicher über ihre Rechte, beispielsweise in Bezug auf Mieterhöhungen, Reparaturen, oder die Rechtmäßigkeit einer Vertragskündigung. Fachjargon oder juristische Grauzonen in Verträgen sorgen für zusätzliche Verwirrung und frustrieren die Mieter, während sich das Verhältnis zwischen Mieter und Vermieter oft verschlechtert, sobald Probleme gemeldet wurden.
Alarmierend ist auch, dass wirtschaftlich schwache Haushalte und Familien mit Kindern am härtesten getroffen werden. Sie leiden besonders unter strengen Auswahlkriterien der Vermieter und gravierenden Wohnqualitätsproblemen.
Maßgeschneiderte und umsetzbare Empfehlungen
Der Bericht bietet in einem Kapitel konkrete Handlungsvorschläge für den luxemburgischen Mietmarkt. „Insbesondere sehen wir, dass der Mangel an zugänglichen/verständlichen Informationen, das mangelnde Bewusstsein für Rechte und Pflichten die Beziehungen zwischen Mieter und Vermieter belasten“, erklärt Prof. Flynn. „Strategien, die auf zugängliche Informationen, Transparenz und Coaching abzielen, können dazu beitragen, Situationen vor, während und bei der Beendigung des Mietverhältnisses zu vermeiden.“
Die Bezahlbarkeit und Wohnbedingungen bleiben jedoch Dauerprobleme, die ein umfassendes Vorgehen von öffentlichen Institutionen erfordern, insbesondere für schutzbedürftige Haushalte und Haushalte mit Kindern. Bessere Kommunikationswege und effiziente Schlichtungsmöglichkeiten könnten zudem helfen, einige der Probleme zwischen Mieter und Vermieter zu vermeiden und die oft angespannte Beziehung zu entschärfen. Die Politik sollte bestehende Vorschriften auf Verständlichkeit überprüfen und Strategien entwickeln, um so Missverständnisse in Zukunft zu vermeiden.
Andere Probleme erfordern langfristige Lösungsansätze. Dazu gehören beispielsweise unregelmäßige und schwer nachvollziehbare Nebenkostenabrechnungen sowie die mangelnde Aufklärung über bestehende Unterstützungsprogramme wie Mietzuschüsse und Mietgarantien. Mieterorganisationen sollten ihre Ressourcen neu ausrichten, um so verstärkt jenen unter die Arme greifen zu können, die dringend finanzielle oder wohnungsbezogene Unterstützung benötigen. Gleichzeitig gilt es auch, die Wirksamkeit des Unterstützungsnetzwerks für einkommensschwache Haushalte zu prüfen und sicherzustellen, dass benachteiligte Haushalte sich bei Streitigkeiten erfolgreich durchsetzen können.
Informationen zum Forschungsprojekt
Im Bericht werden öffentlich zugängliche Daten und Umfragen, wiedie des EU-SILC-Erhebung oder des Observatoire de l’Habitat herangezogen, um die Ergebnisse in einen breiteren Kontext zu setzen.
„Eine umfassende und ausgewogene Sichtweise ist notwendig, und dies erfordert weitere Untersuchungen, die auch andere Blickwinkel berücksichtigen“, erklärt Lindsay Flynn. „Nur so können politische Empfehlungen wirklich wirksam sein.“ Insbesondere die Erfahrungen von Vermietern und bestimmte Konfliktpunkte, die nicht in der untersuchten Korrespondenz auftauchen, sind wesentliche Bereiche für zukünftige Analysen.
Die Studie wurde vom Mieterschutz Lëtzebuerg in Auftrag gegeben und mit der finanziellen Unterstützung des Ministeriums für Wohnungsbau und Raumentwicklung sowie des FNR-ATTRACT-Projekts „Proactive Policymaking for Equal Lives (PROPEL)“ durchgeführt, das vom Luxembourg National Research Fund gefördert wird.