Seit Beginn der Pandemie haben Forscher der Universität Luxemburg ihr Fachwissen eingesetzt, um das Virus, seine Symptome, und seine Langzeitfolgen besser zu verstehen und wirksame Maßnahmen gegen seine Ausbreitung zu erarbeiten. Auch nach der Krise untersuchen die Wissenschaftler weiterhin verschiedene Aspekte der Krankheit und die interdisziplinären Kompetenzen der Universität werden weiterhin genutzt.
Verschiedene Projekte konzentrieren sich derzeit auf den Zusammenhang zwischen COVID-19 und Neurodegeneration sowie auf die Behandlung des Long-COVID-Syndroms. Diese laufenden Forschungsarbeiten, die durch das nationale CoVaLux-Programm unterstützt werden, sind von entscheidender Bedeutung, um die Auswirkungen des SARS-CoV-2-Virus vollständig zu verstehen, Wege zu finden, diese abzuschwächen und um besser auf künftige Pandemien vorbereitet zu sein.
Groß angelegte Studien tragen weiter Früchte
CON-VINCE war eine der groß angelegten Studien, die von Forschern in Luxemburg initiiert wurden. Diese Initiative rekrutierte im April 2020 landesweit über 1800 Teilnehmer und sammelte damit zahlreiche Informationen über die Prävalenz, die Übertragung und die Dynamik des Virus im Land.
Die Analyse der Daten liefert weiterhin neue multidisziplinäre Erkenntnisse. So wurden noch Anfang 2024 Ergebnisse zur Entwicklung der Immunität in Luxemburg in der Fachzeitschrift BMC Infectious Diseases veröffentlicht. Auch die Auswirkungen der Pandemie auf das psychische Wohlbefinden der Bevölkerung werden weiter untersucht. „Unsere Langzeitstudie zeigt, wie wichtig es ist, die schädlichen Auswirkungen der Pandemie aus psychologischer Sicht zu bewerten.“, erklärt Prof. Anja Leist von der Fakultät für Geisteswissenschaften, Erziehungswissenschaften und Sozialwissenschaften (FHSE) und eine der Autorinnen des Artikels. „Wir haben insbesondere bei Frauen und jüngeren Teilnehmern eine Zunahme von Depressionen, Angstzuständen und Einsamkeit beobachtet. Es bleibt daher notwendig, die Entwicklung dieser Parameter zu verfolgen und die langfristigen Auswirkungen der Pandemie auf die psychische Gesundheit der Bewohner zu bewerten.“
Neben der Datenanalyse werden die in der integrierten Biobank von Luxemburg gelagerten biologischen Proben auch für die Untersuchung möglicher langfristiger Auswirkungen des Virus auf die Gesundheit des Gehirns nützlich sein. Im Rahmen des kürzlich gestarteten EU‑Projekts COMMUTE werden diese Proben verwendet, um besser zu verstehen, wie Infektionskrankheiten wie COVID-19 das Risiko beeinflussen können, später neurodegenerative Erkrankungen zu entwickeln.
COVID-19 und Neurodegeneration
Wissenschaftler auf der ganzen Welt untersuchen weiterhin die verschiedenen Auswirkungen des Virus auf den menschlichen Körper. Neben den gut dokumentierten Atemwegssymptomen weisen neue Forschungsergebnisse auf einen möglichen Zusammenhang zwischen COVID-19 und Neurodegeneration hin.
Im Mai 2024 trugen Forscher der Universität Luxemburg mit einem Artikel in The Lancet Neurology zu diesen weltweiten Bemühungen bei. Darin wird erläutert, wie eine Infektion mit dem SARS-CoV-2-Virus neurodegenerative Erkrankungen verschlimmern oder sogar auslösen könnte.

Dr. Josh Berryman, Wissenschaftler an der Fakultät für Naturwissenschaften, Technologie und Medizin (FSTM), koordinierte eine EU-Arbeitsgruppe von Ärzten und Professoren, die die vorhandenen Daten auswertete. Er fasst die Ergebnisse zusammen: „Kurz gesagt, das Virus kann in einigen Fällen zu einer Neurodegeneration führen, aber das Risiko scheint nicht wesentlich höher zu sein als bei anderen Infektionskrankheiten. Nicht jeder Patient mit COVID‑19 wird eine neurodegenerative Erkrankung entwickeln.“
Die Mechanismen, die nach einer SARS-CoV-2-Infektion in Gang gesetzt werden und zur Neurodegeneration führen können, sind noch unklar und müssen weiter untersucht werden. Eine Hypothese ist, dass Viruspartikel auch noch lange nach der Genesung im Körper verbleiben können. Diese Restproteine des SARS-CoV-2 könnten die Anhäufung von Amyloid-Ablagerungen auslösen, ein bekanntes Merkmal der Alzheimer-Krankheit. Die Infektion scheint auch die Aggregation des Tau-Proteins zu verstärken, eine weitere Ursache der Krankheit. Schließlich könnte die durch COVID-19 ausgelöste systemische Entzündung langfristige Folgen für die Gesundheit des Gehirns haben. Es ist nämlich bekannt, dass chronische Entzündungen zur Entstehung verschiedener neurodegenerativer Erkrankungen beitragen.
„Wir wussten bereits, dass bestimmte Virusinfektionen zu Neurodegeneration führen können“, erklärt Prof. Michael Heneka, Direktor des Luxembourg Centre for Systems Biomedicine (LCSB) und Mitglied derselben Arbeitsgruppe. „COVID-19 scheint nun zu diesen Viren zu gehören. Die Daten deuten darauf hin, dass dieses Virus ein signifikantes Risiko für fortschreitende neurologische Beeinträchtigungen darstellt.“ Eine Infektion mit SARS-CoV-2 sollte daher als Risikofaktor für die Alzheimer-Krankheit angesehen werden und Patienten mit Folgebeschwerden sollten weiter beobachtet werden.
Long COVID: Erforschung einer komplexen Erkrankung
Während diese Ergebnisse unterstreichen, wie wichtig es ist, bestimmte Patienten langfristig zu beobachten und Langzeitstudien durchzuführen, um die neurologischen Langzeitfolgen der Krankheit zu beurteilen, konzentrieren sich mehrere Projekte an der Universität auf das Long-COVID-Syndrom.
Dieses tritt in etwa 10 % der Fälle auf und kann das tägliche Leben der Betroffenen stark beeinträchtigen. Dauer und Schweregrad sind sehr unterschiedlich und die Symptome umfassen Müdigkeit, Kurzatmigkeit, Schmerzen und kognitive Beeinträchtigung. Wissenschaftler der Universität versuchen, die Krankheit besser zu verstehen und geeignete Behandlungsmethoden zu entwickeln.

Die genaue Ursache von Long COVID ist nach wie vor schwer zu bestimmen. Das Syndrom könnte auf einer übermäßige Immunreaktion zurückzuführen sein, die zu einer lang anhalten Entzündungen des Nervensystems, Schäden an den Blutgefäßen und einer Fehlregulation des Stoffwechsels führt. „Obwohl einige Symptome für Long COVID einzigartig zu sein scheinen, gibt es viele Gemeinsamkeiten mit einer Krankheit namens Myalgische Enzephalomyelitis/Chronic Fatigue Syndrome, die sich ebenfalls nach einer Virusinfektion entwickeln kann“, erklärt Prof. André Schulz, Forscher am Department of Behavioural and Cognitive Sciences der FHSE. „Mit unserem Projekt SUMCO wollen wir durch psychologische und physiologische Untersuchungen herausfinden, ob es gemeinsame Mechanismen für diese beiden Erkrankungen gibt. Dies könnte dazu beitragen, beide Patientengruppen besser zu diagnostizieren und effiziente Behandlungenmöglichkeiten zu finden.“
Wirksame Behandlungsmethoden entwickeln
„Die Komplexität von Long COVID mit seinen verschiedenen Symptomen, die mehrere Organe betreffen, macht die derzeitigen Behandlungen oft unzureichend und schafft einen Bedarf an neuen therapeutischen Lösungen“, fügt Prof. Jochen Schneider, Leiter der Medical Translational Research Gruppe am LCSB, hinzu. „Da die Darm-Hirn-Achse bei Long COVID stark betroffen ist, untersuchen wir das Heilfasten als mögliche Behandlungsalternative.“
Kalorienrestriktion und periodisches Fasten können eingesetzt werden, um gezielt auf die Entzündungsprozesse und das Ungleichgewicht der Darmflora einzuwirken – beides bekannte Merkmale des Long-COVID-Syndroms. Aus diesem Grund untersucht FastCoV, ein interdisziplinäres Forschungsprojekt, an dem mehrere Forschungsinstitute und Krankenhäuser in Luxemburg und Deutschland beteiligt sind, das Fasten als Behandlungsoption. „Die Teilnehmer, die über die Long COVID-Abteilung der Rehaklinik des Centre Hospitalier Neuro-Psychiatrique (CHNP) rekrutiert werden, durchlaufen ein 7-tägiges betreutes Fastenprogramm. Danach kehren sie zu ihrer normalen Ernährung oder einer entzündungshemmenden Diät zurück“, erklärt Dr. Raquel Gómez Bravo, Studienärztin am CHNP. „Wir erhoffen uns von dieser klinischen Studie klare wissenschaftliche Ergebnisse über die Auswirkungen der Kalorienrestriktion auf die Symptome von Long COVID. Daraus könnten maßgeschneiderten Behandlungen für die Patienten entwickelt werden.“
SARS-CoV-2 verstehen ist eine interdisziplinäre Aufgabe
Die verschiedenen Projekte der Universität unterstreichen, dass eine Kombination von Kompetenzen aus Biologie, Medizin, klinischer Forschung und Sozialwissenschaften entscheidend ist, um komplexe Phänomene wie COVID-19 zu verstehen.
Und die Liste der Disziplinen geht noch weiter: Datenwissenschaft und Bioinformatik sind ebenso unverzichtbar. Von der Modellierung der Ausbreitung des Virus bis zur Identifizierung von Risikopatienten durch maschinelles Lernen haben mehrere Beiträge von Forschern der Universität in diesen Bereichen unterstrichen, dass der Kampf gegen COVID-19 eine interdisziplinäre Anstrengung erfordert.

Dies gilt auch heute noch. Das europäische Projekt COMMUTE, an dem die Teams von Prof. Rejko Krüger und Prof. Reinhard Schneider beteiligt sind, wird beispielsweise künstliche Intelligenz für die Datenanalyse nutzen. Das Projekt wird ebenfalls das Fachwissen des Bioinformatics Core des LCSB nutzen, um die umfangreiche wissenschaftliche Literatur über das Virus in Grafiken umzuwandeln, die den aktuellen Wissensstand zusammenfassen. In einem anderen Projekt entwickelten Bioinformatiker und Physiker des LCSB und der FSTM den Persistenz-Score, eine neue Methode zur Bewertung des epidemischen Potenzials neuer SARS-CoV-2-Varianten. „Wir konzentrieren uns auf die Interaktion zwischen dem Virus und menschlichen Zellen am ACE2-Rezeptor“, erklärt Prof. Alexander Skupin, Leiter der Integrative Cell Signalling Gruppe am LCSB. „Anhand sehr detaillierter Daten und Simulationen der Molekulardynamik können wir das Risiko für jede Variante bewerten und einschätzen, ob ihre Fähigkeit zur Übertragung erhöht ist. Dies gilt auch für mögliche zukünftige Varianten, die durch Rekombinationen wie Deltacron entstehen.“ Diese Methode, die entwickelt wurde, um politische Entscheidungen auf evidenzbasierte Daten zu stützen und Schutzmaßnahmen frühzeitig anzupassen, sollte in den Werkzeugkasten zur Pandemievorsorge aufgenommen werden.
CoVaLux, eine auf nationaler Ebene koordinierte Initiative an der Schnittstelle von Immunologie, Psychologie, Epidemiologie, digitaler Gesundheit, Sozialwissenschaften und öffentlicher Gesundheit, ist vielleicht eines der interdisziplinärsten Projekte, die derzeit in Luxemburg laufen. Seit 2021 arbeiten Forscher der Universität und mehrerer anderer Institutionen unter der Koordination von Prof. Paul Wilmes vom LCSB und Dr. Guy Fagherazzi vom Luxembourg Institute of Health zusammen, um Schlüsselfragen im Zusammenhang mit der Impfung und den langfristigen Auswirkungen von COVID-19 auf die Gesundheit zu beantworten. Heute stellt dieses umfassende Programm die notwendigen Ressourcen bereit, um weiterhin Proben und Daten zu sammeln und zu analysieren.
Im November 2024 wird das CoVaLux-Team auf dem Campus Belval zu einer Veranstaltung über Long COVID zusammenkommen und damit unterstreichen, dass neben den verschiedenen Kompetenzen, die für die Erforschung aller Facetten dieser Krankheit erforderlich sind, die Fortsetzung der Forschung ein weiterer Schlüsselaspekt ist. Langzeitstudien sind entscheidend, um die Funktionsweise des Virus zu verstehen, seine langfristigen Auswirkungen auf unsere Gesellschaften besser zu begreifen und gezielte Maßnahmen zu entwickeln, um die Folgen abzumildern. Auf diese Weise können wir auch besser auf die nächste Pandemie vorbereitet sein.
Kredit für das letzte Bild: Dr. Thais Arns
Mehr über die Forscher
Assist. Prof Jochen SCHNEIDER
Assistant professor / Senior research scientist, Medical Translational Research group
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Dr. Raquel GOMEZ BRAVO
Clinician-scientist at the Centre Hospitalier Neuro-Psychiatrique (CHNP)
Prof Reinhard SCHNEIDER
Full professor / Chief scientist 1 in Bioinformatics, Head of bioinformatics core facility
Assoc. Prof Alexander SKUPIN
Associate professor/Chief scientist 2 in Modelling of Biomedical Data