Immer mehr Menschen in Europa pendeln täglich in ein Nachbarland an ihren Arbeitsplatz, vor allem in die Schweiz und nach Luxemburg. Die Arbeitskräftemobilität resultiert aus sozioökonomischen Ungleichgewichten in Grenzregionen, sie sorgt für Wachstum und Kaufkraft und erfordert eine enge Koordination der europäischen Sozialsysteme. Zugleich setzt sie regionalpolitische Kooperationsprozesse in Gang, erzeugt ein grenzüberschreitendes Zusammengehörigkeitsgefühl und ruft zivilgesellschaftliche Akteure dies- und jenseits von Grenzen auf den Plan. Grenzgänger:innenbeschäftigung lässt sich demnach nicht allein ökonomisch erklären, sondern fordert Betrachtungen aus verschiedenen Blickwinkeln ein.
Eine solche multiperspektivische Betrachtung haben sich die Herausgeber:innen des Buchs „Cross-border work in Europe“ zur Aufgabe gemacht. Sie unterscheiden zwischen sozio-ökonomischen, sozio-kulturellen, territorialen und juristischen Dimensionen der Arbeitskräftemobilität und diskutieren sie anhand von Fallstudien in europäischen Grenzregionen. Die Themen reichen dabei von Einkommensunterschieden, Arbeitsmarktzugängen, Arbeitnehmer:innenvertretung über Sprache, Identität, Alltag bis hin zu Regionalentwicklung, Verkehr oder Gesetzesfragen.

Die Buchbeiträge zeigen, dass die Grenzgängerströme das Angebot und die Nachfrage von Arbeit in Grenzregionen regulieren, aber auch in anderen Gesellschaftsfeldern von der lokalen bis zur europäischen Ebene wirksam sind. Die Grenzgänger:innenbeschäftigung steht daher für ein Forschungsthema, das verschiedene Dimensionen und Themen zusammenbringt und ein großes Potential für grenzregionale Lern- und Entwicklungsprozesse bietet. Die Herausgeber:innen schlagen vor diesem Hintergrund die Einrichtung eines europäischen Forschungsprogramms über Grenzgänger:innenbeschäftigung vor: Die transversalen „European Cross-border Work Studies“ sollen praxisorientierte Handlungsansätze für eine integrierte Entwicklung in Grenzregionen vorlegen und eine interdisziplinäre sowie intersektoriale Brücke schlagen zwischen Grenzforschenden und regionalen Entscheidungsträgern.
Bibliographische Angaben
Clément, Franz / Belkacem, Rachid / Pigeron-Piroth, Isabelle / Wille, Christian (ed.) (2023): Cross-border Work in Europe. Regional Practices and Realities | Le travail frontalier en Europe. Pratiques et réalités régionales. Bruxelles, Larcier.
Autor:innen
Dorte Jagetic Andersen, Moreno Baruffini, Rachid Belkacem, Claudio Bolzman, Martine Camiade, Franz Clément, Anne Hartung, Nicole Kerschen, Cornelius J. König, Jean-Marc Lambotte, Ornella Larenza, Isabelle Pigeron-Piroth, Rose-Marie Quintana, Paul Reiff, Hélène Rouchet, Adrien Thomas, Danuscia Tschudi, Denise Vesper, Christian Wille, Ingo Winkler, Frédéric de Wispelaere.
Das Buch ist das Ergebnis einer internationalen Konferenz, die das Luxembourg Institute of Socio-Economic Research im Jahr 2022 in Zusammenarbeit mit dem UniGR-Center for Border Studies ausgerichtet hat.