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Wenn der Winter in Rauch aufgeht

  • Fakultät für Geisteswissenschaften, Erziehungswissenschaften und Sozialwissenschaften (FHSE)
    15 Februar 2024
  • Kategorie
    Forschung
  • Thema
    Geisteswissenschaften

Die Nächte des ersten Fastenwochenendes sind in Luxemburg etwas weniger dunkel: Vielerorts findet das traditionelle Buergbrennen statt, bei denen sich die Einwohner um ein großes Feuer und regionale Gerichte versammeln. Sonja Kmec, eine auf Volkskultur spezialisierte Historikerin, hat 2021-2022 zusammen mit Catherine Lorent und Jean Reitz ein Forschungsprojekt zu dieser Tradition durchgeführt.

Wie weit reicht die Tradition des Buergbrennens zurück?

„Die ersten Aufzeichnungen gehen auf das späte Mittelalter zurück. Manche meinen, dass die Ursprünge bis in die gallo-römische oder keltische Zeit reichen, aber das ist – zum jetzigen Zeitpunkt – unmöglich zu beweisen.

Ist das Buergbrennen ein typisch luxemburgisches Ritual?

„Ganz und gar nicht. Saisonale Freudenfeuer gibt es in ganz Europa. Sie werden nicht unbedingt während der Fastenzeit wie das Buergbrennen veranstaltet, sondern auch um Ostern oder am Johannistag. Diese Feiern haben immer eine agrarische Symbolik, da sie sich nach dem Rhythmus der Aussaat und der Ernte richten.

Was haben Ihre Recherchen zum Buergbrennen ergeben?

„Dieses Fest wird trotz der zahlreichen gesellschaftlichen Veränderungen immer noch gefeiert. Außerdem hat das Fest mehrere Wiederbelebungen erlebt. Zum Beispiel entstand in den 1920er und 1930er Jahren vor allem im Süden Luxemburgs und um die Hauptstadt herum ein neues Interesse, obwohl es ursprünglich ein landwirtschaftliches Fest war und daher eher im Norden verwurzelt war. In den 1970er und 1980er Jahren, aber auch Anfang der 2000er Jahre wurde das Buergbrennen wiederum neu belebt. Es wird deutlich, dass Traditionen immer dann an Popularität gewinnen, wenn ein großer gesellschaftlicher Wandel stattfindet.

Wie erklären Sie sich das?

„Je mehr unsere Bezugspunkte auf den Kopf gestellt werden, desto wichtiger werden Traditionen. Traditionelle Volksfeste wie das Buergbrennen werden in einer Zeit, in der Menschen das Gefühl haben, dass sich alles im Wandel befindet, zum festen Bezugspunkt. Wir haben im Jahr 2020 260 Buergbrennen gezählt, verglichen mit etwa 100 Ende der 1960er Jahre.

Es gibt zwei Interpretationen des Buergbrennens: Mal wird der Winter vertrieben und mal werden Hexen verbrannt. Welche ist plausibler?

„A priori geht es um das Vertreiben des Winters. Das große Feuer kontrastiert die Kälte des Winters mit der Wärme des Feuers und verkörpert das Licht, das es ausstrahlt. Dieses Licht steht auch für die Rückkehr des Tageslicht, wenn die Tage wieder länger werden. Was die Hexen betrifft, so glauben die meisten Historiker, dass es keine direkte Verbindung zu diesen Feuern gibt. Die ersten schriftlichen Aufzeichnungen dieser Tradition fallen jedoch mit dem Höhepunkt der Hexenprozesse in unseren Regionen im 16. und 17. Jahrhundert zusammen. Und einige Feste ahmen Gerichtsverhandlungen nach, bei denen Strohpuppen wegen anderer Verbrechen für schuldig befunden und verbrannt werden – eine Art kollektive Sühne. Diese Frage wäre es wert, näher untersucht zu werden.

Hat sich das Ritual des Buergbrennen in den letzten Jahren verändert?

„Die gesetzlichen Rahmenbedingungen haben sich geändert: Es wird immer komplizierter, einen großes Feuer zu errichten, und die Anwesenheit der Feuerwehr ist erforderlich. In den 1970er Jahren war es nicht ungewöhnlich, dass Reifen an der Struktur hingen. Dies ist heute unvorstellbar, da nur totes und chemisch unbehandeltes Holz verbrannt werden darf.

Eine weitere Entwicklung betrifft die Veranstaltungsdimension des Buergbrennen, vor allem in den großen Städten wie Luxemburg, Esch/Alzette und Rodange. Spezielle Komitees organisieren Veranstaltungen und gehen dazu über, ein viel größeres Fest mit Unterhaltungsangeboten zu schaffen. In den kleineren Orten wird das Freudenfeuer meist lediglich von den Klängen der örtlichen Blaskapelle begleitet.

Häufig findet man auch ein Essensangebot mit luxemburgischen Spezialitäten wie der Bouneschlupp. Eine Gelegenheit, die lokale Küche in den Vordergrund zu stellen?

“ Ich denke, es geht eher darum, die Geselligkeit in den Vordergrund zu stellen. n den Anfängen des Buergbrennens wurden riesige Speckomeletts von der Gemeinde in einem lokalen Restaurant zubereitet. Dann kamen im 20. Jahrhundert das Grillen hinzu. Und jetzt ist es wie bei jedem Dorffest mit Pommes frites, Koteletts, Bouneschlupp oder Ierzebulli. Ihr Erlös dient auch der finanziellen Unterstützung der Organisatoren.

Könnten Fragen des Umweltschutzes das Buergbrennen bedrohen?

„Es wurden bereits parlamentarische Anfragen zu diesem Thema gestellt, aber die Tradition ist jahrhundertealt und die bisherigen Antworten sind, dass das Buergbrennen eine Ausnahme darstelle. Die Tradition ist nicht gefährdet und entwickelt sich sogar ständig weiter. Während die meisten Freudenfeuer ein Kreuz darstellen, nehmen andere zum Beispiel die Form einer Burg an.

Nebenbei: Ist das Buergbrennen heidnisch oder religiös? Das Datum ist auf die christlichen Feste abgestimmt, während es ursprünglich ein heidnischer Brauch war…

„Die Kirche stand der Feier im 16. Jahrhundert skeptisch gegenüber. Die Dorfpfarrer sahen die Promiskuität, die das Buergbrennen zwischen den jungen Leuten bot, nicht gerne. Im 19. und frühen 20. Jahrhundert sah die Kirche dann ein Interesse daran, da es die Dorfbewohner zusammenbrachte und daher mit einer Messe oder sogar einer Prozession um das Feuer kombiniert werden konnte. Letztendlich ist es schwierig, auf die Art des Festes zu schließen, da die Dorfbewohner und manchmal auch die Geistlichen ihre eigene Interpretation des Christentums hatten und magische oder heidnische Elemente einfließen ließen. Sicher ist jedoch, dass die Kirche das Buergbrennen in ihren Kalender aufnahm. 

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