In zwei kürzlich veröffentlichten Forschungsberichten demonstrieren Computerwissenschaftler der Universität Luxemburg und internationale Partner, wie Mausbewegungen genutzt werden können, um mehr über das Nutzerverhalten zu erfahren. Während diese Methode viele interessante Anwendungsmöglichkeiten bietet, können Mausbewegungen jedoch auch sensible Informationen über dieNutzenden preisgeben, wie beispielsweise deren Alter oder Geschlecht. Die Wissenschaftler wollen daher das Bewusstsein für diese potenziellen Datenschutzprobleme schärfen und haben Maßnahmen vorgeschlagen, um sie zu begrenzen.
Professor Luis Leiva vom Fachbereich Informatik an der Universität Luxemburg und korrespondierender Autor der beiden Papiere erklärt die wichtigsten Ergebnisse im Detail.
Meine Maus, meine Regeln
„Wir haben nachgewiesen, wie einfach es ist, im großen Stil Daten über die Nutzerverhalten zu erfassen, indem wir ihre Mausbewegungen unauffällig verfolgen, und mithilfe von fünf Code-Zeilen die demografischen Informationen des Benutzers mit ziemlicher Genauigkeit vorherzusagen. Jahrelang konnte man die Mausbewegungen auf Websites ganz einfach aufzeichnen, doch für die Analyse brauchte man fortgeschrittene Kenntnisse in Informatik und maschinellem Lernen. Heute gibt es viele Bibliotheken und Frameworks, die es jedem mit einem Minimum an Programmierkenntnissen ermöglichen, ziemlich ausgereifte Klassifikatoren zu erstellen. Das wirft neue Fragen zum Datenschutz auf, denn die Nutzenden selbst haben keinen einfachen Opt-Out-Mechanismus.“
Basierend auf diesen Ergebnissen entwickelte das Team eine Methode, die Mausverfolgung zu verhindern, indem sie in Echtzeit die Mauskoordinaten verzerrt. „Sie ist von der aktuellen Forschung im Bereich des adversialen maschinellen Lernens inspiriert und wurde als Webbrowser-Erweiterung implementiert, so dass in der Praxis jeder von dieser Arbeit profitieren kann“, erklärt Leiva. Die Webbrowser-Erweiterung namens MouseFaker ist auf GitHub verfügbar.
Die Arbeit wurde auf der 6. ACM SIGIR Conference on Human Information Interaction and Retrieval vorgestellt.
Wenn man die Wahl hat
Nichtsdestotrotz umfasst die Mouse-Tracking-Technologie äußerst nützliche Anwendungen für Webmaster und insbesondere für Suchmaschinen. Dr. Ioannis Aparakis von Telefonica Research und Mitautor der beiden Publikationen, erklärt: „Wenn Sie bei Google oder Bing nach etwas suchen, senden Ihre Mausbewegungen ein winziges Signal an die Suchmaschine, das anzeigt, ob Sie an den angezeigten Inhalten interessiert sind oder nicht. Da die Mausverfolgung datenschutzrechtliche Probleme aufwerfen kann, haben wir die Möglichkeit untersucht, nur einen kleinen Teil der gesamten Bewegungsabfolge aufzuzeichnen und zu sehen, ob wir immer noch Rückschlüsse darauf ziehen können, wie Menschen bei der Websuche Entscheidungen treffen.“
Das Team analysierte drei repräsentative Szenarien, in denen Nutzende bei der Websuche eine Entscheidung treffen mussten: wenn sie eine Werbung bemerken, wenn sie die Seite verlassen und wenn sie frustriert sind. Die Ergebnisse sind interessant: Denn wenn Benutzer einer Anzeige Aufmerksamkeit schenken, wird dies bereits anhand der ersten Mausbewegungen signalisiert. Im Fall des Verlassens der Seite ist es genau umgekehrt: Die letzten Bewegungen geben Auskunft darüber, ob der Benutzer sich entschieden hat, die Seite zu verlassen, und ob er mit den Suchergebnissen zufrieden war, ohne dass er etwas anklicken muss. Im Fall der Frustration waren die Ergebnisse gemischt, aber es gibt Hinweise, dass der mittlere Teil einer Mausbewegungskurve mehr Informationen liefert als der Anfangs- oder Endteil.
Die Forscher fanden heraus, dass es möglich ist, die oben genannten Aufgaben manchmal anhand einer nur 2 oder 3 Sekunden dauernden Mausbewegung vorherzusagen. Ihre Schlussfolgerung ist daher, dass Suchmaschinen auch dann nützliche Informationen generieren und ihre Dienste verbessern können, wenn sie nur die relvanten Teile verfolgen, sodass die Privatsphäre der Nutzer besser geschützt ist. Die Arbeit wird auf der 44. International ACM SIGIR Conference on Research and Development in Information Retrieval, dem führenden internationalen Forum auf diesem Gebiet, vorgestellt.
„Letztendlich,“ so Professor Leiva, „können wir durch die effiziente Aufzeichnung der richtigen Menge an Bewegungsdaten wertvolle Bandbreite und Speicherplatz sparen, die Privatsphäre des Nutzers schützen und die Geschwindigkeit erhöhen, mit der maschinelle Lernmodelle trainiert und eingesetzt werden können. In Anbetracht der Größe des Internets wird dies unter dem Strich einen positiven Effekt auf unsere Umwelt haben.“
Publications
L. A. Leiva, I. Arapakais, C. Iordanou. My Mouse, My Rules: Privacy Issues of Behavioral User Profiling via Mouse Tracking, Proceedings of ACM SIGIR Conference on Human Information Interaction and Retrieval, DOI: 10.1145/3406522.3446011
L. Brückner, I. Arapakis, L. A. Leiva. When Choice Happens: A Systematic Examination of Mouse Movement Length for Decision Making in Web Search, Proceedings of the International ACM SIGIR Conference on Research and Development in Information Retrieval (SIGIR), DOI:10.1145/3404835.3463055