Geschlechterunterschiede bei Alzheimer

Das Älterwerden wird als einer der wichtigsten Risikofaktoren für die Alzheimer-Krankheit eingestuft, wobei Frauen in fortgeschrittenem Alter von der neurodegenerativen Erkrankung deutlich häufiger betroffen sind als Männer, selbst unter Berücksichtigung der höheren Lebenserwartung. Studien des alternden menschlichen Gehirns zeigen zudem, dass Frauen und Männer Unterschiede in der Aktivität bestimmter Gene aufweisen – einige davon stehen in funktionalem Zusammenhang mit der Molekularpathologie der Alzheimer-Krankheit. Enrico Glaab, Leiter der Forschungsgruppe Biomedical Data Science des LCSB, will herausfinden, wie geschlechtsspezifische biomolekulare Veränderungen im menschlichen Gehirn zu den Geschlechterunterschieden bei Alzheimer beitragen.

Zur Beantwortung dieser Frage führte Glaab statistische Analysen von Datensätzen zur DNA-Transkription, die aus menschlichen Gehirnen von Alzheimer-Patienten und gleichaltrigen gesunden Personen der Kontrollgruppe sowie gesunden Personen anderer Altersgruppen post mortem gewonnen wurden. Ziel war die Identifizierung von Genen, die sich in ihrer Aktivität bei Männern und Frauen der älteren Altersgruppe wesentlich unterscheiden und signifikante geschlechtsspezifische Veränderungen bei Alzheimer-Patienten im Vergleich zur Kontrollgruppe aufweisen. Glaab hat ein solches Gen identifiziert: Es heißt Ubiquitin-spezifische Peptidase 9 (USP9) und erfüllt diese Kriterien. USP9 phosphoryliert und reguliert damit ein Protein, das Mikrotubuli-assozierte Protein Tau (MAPT), das mit der Alzheimer-Krankheit in Verbindung gebracht wird. Die Expressionsmuster von USP9 und MAPT weisen hohe Korrelationen auf.

Um die funktionellen Zusammenhänge zwischen USP9 und MAPT und ihrer Rolle bei der Alzheimer-Krankheit zu untersuchen, arbeitet Glaab mit Kollegen der LCSB-Forschungsgruppen Experimental Neurobiology und Chemical Biology zusammen. Sie untersuchen die Rolle von USP9 zunächst in Zellkulturen, anschließend an Zebrafisch- und Mausmodellen. Durch computergestützte Analysen konnten die Wissenschaftler die in Frage kommenden Gene auf USP9 eingrenzen und damit die Anzahl der für die Untersuchung erforderlichen Tiere erheblich reduzieren. Wenn aus der Arbeit mit Zellkulturen und Zebrafischen klar hervorgeht, dass die Inaktivierung von USP9 die Expression von MAPT reduziert, können die Forscher als nächstes die USP9-Aktivität an einem neuen Mausmodell für die Alzheimer-Krankheit untersuchen. Da Änderungen in der MAPT-Expression ein typisches molekulares Kennzeichen von Alzheimer und ähnlichen Erkrankungen sind, könnten potenzielle Schlüsselregulatoren der MAPT-Aktivität wie USP9 Ansatzpunkt für neue Therapien sein.

Glaabs Forschung zeigt, wie LCSB-Wissenschaftler die am besten geeignete Forschungsmethode auswählen, um Antworten auf bestimmte wissenschaftliche Fragen zu finden. Durch verschiedene Schritte von menschlichen Datensätzen über Computermodelle und Zellkulturen bis hin zu Zebrafischen und Mäusen lassen sich solide Hypothesen aufstellen, so dass Forscher nur dann Tierversuche durchführen, wenn keine andere Forschungsmethode die wissenschaftliche Fragestellung beantworten konnte.

Glaabs Projektantrag gewann 2013 den „Global NeuroDiscovery Challenge“ der US-amerikanischen Geoffrey Beene-Stiftung.

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