Neue Mechanismen und Therapien für Epilepsien bei Kindern entdeckt
Epilepsie ist eine der weltweit häufigsten neurologischen Erkrankungen, bei denen Störungen der normalen Nervenzellenaktivität im Gehirn zu spontanen Krampfanfällen führen. Während einige Epilepsieformen durch andere Erkrankungen wie Infektionen des Gehirns, Schlaganfälle oder Krebs ausgelöst oder als Folge eines externen physischen Traumas bei Unfällen oder Stürzen auftreten können, ist die Ursache der meisten Epilepsieformen, die bereits im frühen Kindesalter auftreten, noch nicht ganz geklärt. Neuere Studien haben zwar einen starken genetischen Einfluss bestätigt, aber für viele Formen gibt es immer noch keine geeignete Behandlungsmöglichkeit.
„Wir untersuchen derzeit die genetischen Ursachen des Dravet-Syndroms und damit verbundener Epilepsien. Kinder mit diesen Erkrankungen haben Anfälle, die nicht auf die verfügbare Medikation ansprechen, und weisen schwerwiegende Entwicklungsverzögerungen auf“, sagt Dr. Alexander Crawford, Leiter der Forschungsgruppe Chemical Biology am Luxembourg Centre for Systems Biomedicine (LCSB) der Universität Luxemburg. Um die genetische Ursache dieser Krankheiten herauszufinden, arbeitet Crawford mit Medizinern und Genetikern am LCSB und anderen Forschungseinrichtungen zusammen, die Genomsequenzen von betroffenen Kindern und deren gesunden Eltern im Detail untersuchen. Sie suchen nach genetischen Unterschieden zwischen Eltern und Kind, die neue, so genannte De-novo-Mutationen, in bestimmten Genen vermuten lassen, die Ursache dieser Erkrankungen sein könnten.
Wenn das Team eine potenzielle epilepsieauslösende Mutation entdeckt hat, muss bestätigt werden, dass dieses Gen tatsächlich die Anfälle auslöst. Dazu müssen die Forscher auf Tierversuche zurückgreifen. Die Wissenschaftler wählten den Zebrafisch (Danio rerio), der bei epileptischen Anfällen ein charakteristisches Schwimmmuster aufweist und einige weitere Vorteile hat, wodurch er sich gut als Epilepsiemodell eignet. Der Zebrafisch ist ein kleiner tropischer Süßwasserfisch, der im Südosten des Himalayas beheimatet ist. Er ist ein wichtiger und weit verbreiteter Wirbeltier-Modellorganismus der wissenschaftlichen Forschung, insbesondere in der Entwicklungsbiologie, funktionelle Genetik, Gesundheits- und Arzneimittelforschung. Versuche werden mit Zebrafisch-Embryonen und -Larven durchgeführt, die mikroskopisch klein und durchsichtig sind, so dass sich ihre Entwicklung unter dem Mikroskop innerhalb von Stunden sehr gut verfolgen lässt.
„Da über 70 % der menschlichen Gene auch im Zebrafisch vorkommen, eignet er sich als Modellorganismus um die Rolle von Genen im Gehirn untersuchen können“, erklärt Crawford. Zusammen mit seinem Team bringt er in den Fisch entweder die gleiche Genmutation ein, die die potenzielle Ursache der Epilepsie bei den Patienten ist, oder kleine spezifischen Blockadesequenzen, die die Genfunktion ausschalten. Dazu injizieren die Forscher das veränderte Genmaterial in befruchtete Eier, so dass die Aktivität des betreffenden Gens verändert wird. Über einen Zeitraum von ein bis fünf Tagen beobachten die Forscher das Schwimmverhalten der Larven genauestens mithilfe automatischer Trackingsysteme und zeichnen die Gehirnaktivität über EEG-Verfahren auf. Wenn die genetisch veränderten Larven ein anderes Schwimmverhalten und eine stärkere Hirnaktivität im Vergleich zu den unbehandelten Kontrolltieren zeigen, liegt die Vermutung nahe, dass die künstlich eingebrachte Mutation des Patienten tatsächlich die Epilepsie im Zebrafisch-Modell auslöst.
Sobald eine solche krankheitsverursachende Genmutation gefunden ist, können die Forscher den Mechanismus, durch den die Mutation eine Störung in der normalen Nervenzellenaktivität auslöst, näher betrachten und nach Arzneimitteln zur möglichen Behandlung der Krampfanfälle suchen. Dazu testen Crawford und sein Team die genetisch veränderten Fischlarven mit einer Sammlung von Wirkstoffmolekülen, darunter zugelassene Medikamente, Arzneimittelkandidaten für die bereit Daten zur Sicherheit beim Menschen vorliegen sowie aus Arzneipflanzen isolierte Naturstoffe. Da die Fischlarven sehr klein sind (3-5 mm lang) und die Stoffe über ihre Haut, ihren Verdauungstrakt und ihre Kiemen aufnehmen können, werden sie in so genannte Multiwell-Platten gesetzt und der Stoff wird dann direkt dem Wasser zugegeben. Auf diese Weise können viele Wirkstoffe gleichzeitig getestet werden. Mithilfe der automatischen Trackingsysteme können die Forscher die Stoffe identifizieren, die das durch die Genmutation ausgelöste anfallartige Verhalten unterbinden.
In der Aquarienanlage des LCSB ist gegenwärtig eine wachsende Zahl von genetisch unterschiedlichen Zebrafischlinien in speziellen Aquarien untergebracht. Ein Plattform-Manager und ein Team qualifizierter Wissenschaftler und Techniker kümmern sich täglich um die Haltung und das Wohlergehen der Zebrafische. Die Zebrafisch-Plattform ist mit modernster Technologie ausgestattet, wie etwa Futterautomaten, die sicherstellen, dass die ausgewachsenen Fische in optimalen Abständen und unter idealen Bedingungen gefüttert werden.