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Die Einsamkeit: Wie die Forschung Licht in Fakten und Legenden bringt

  • Fakultät für Geisteswissenschaften, Erziehungswissenschaften und Sozialwissenschaften (FHSE)
    18 Januar 2024
  • Kategorie
    Forschung
  • Thema
    Psychologie, Neurowissenschaften & Verhaltensökonomie

„Wer einsam ist, stirbt früher“, sagt ein altes deutsches Sprichwort. Hinter der alten Erkenntnis steckt Wahrheit: Eine große Metaanalyse von 70 Studien weltweit legte offen, dass Menschen, die sich einsam fühlen, ein um 26 % höheres Risiko haben, früher als erwartet zu sterben. Die Auswirkungen des Gefühls der Einsamkeit sind sehr real und sehr gefährlich. 

Vor allem junge Generationen sind betroffen

Forscher können somit heute die verbreitete Annahme widerlegen, dass Einsamkeit vor allem ältere Menschen betrifft. Studien in Frankreich oder Deutschland haben gezeigt, dass Personen unter 30 Jahren besorgniserregende Raten der Einsamkeit angeben, in manchen Fällen bis zu 50 % der beteiligten jungen Personen. 

Während die Pandemie die Einsamkeit und deren gesundheitlichen Auswirkungen in das breitere öffentliche Bewusstsein sowie auf das politische und soziale Agenda gerückt hat, ist dies nur die Spitze des Eisbergs. Gesellschaftliche Veränderungen und Anforderungen haben zu einem Anstieg der Einsamkeit beigetragen. Besonders währed den jungen Jahren, in denen Menschen ein Minenfeld von körperlichen, kognitiven und lebensorganisatorischen Veränderungen durchqueren, brauchen sie stabile emotionale und kollektive Bindungen. 

„Untersuchungen zeigen, dass digitale Kontakte die negativen Auswirkungen der Einsamkeit über einen längeren Zeitraum abfedern können, beispielsweise unter den Lockdown-Bedingungen während der Pandemie. Dies gilt insbesondere für jüngere Menschen, da sie es gewohnt sind, über Sozialmedien zu kommunizieren“, erklärt Prof. Claus Vögele, Professor für Gesundheitspsychologie. „Dies wird jedoch problematisch, wenn das Digitale eine persönliche Beziehung ersetzt. Große Teile der Interaktionen und Kommunikationssignale verwässern im Kontakt über Medien, und über kurz oder lang wird der digitale Kontakt nicht mehr ausreichen um unsere Bedürfnisse zu erfüllen.“ 

Einsamkeit verstehen, um bessere Interventionen zu ermöglichen

An der Universität Luxemburg erforschen Prof. Vögele, Dr. Annika Lutz und Doktorandin Julie Ortmann, warum Einsamkeit schädliche Auswirkungen auf die Gesundheit hat. Nur ein besseres Verständnis dieser Mechanismen kann zu verbesserten Interventionen gegen Einsamkeit führen. Sie leiten im Clinical Psychophysiology Laboratory (CLIPSLAB) der Universität ein Experiment, bei dem die Reaktionen der Teilnehmer auf soziale Ausgrenzung bewertet werden. 

„In diesem Experiment wird dem Teilnehmer mitgeteilt, dass er oder sie mit zwei anderen Teilnehmern ein Online-Ballwurfspiel spielt. Irgendwann bekommt der Teilnehmer den Ball seltener als die anderen Spieler“, erklärt Dr. Lutz. „Wir messen die elektrische Gehirnaktivität dieses Teilnehmers und nach dem Spiel wird er oder sie gebeten, einen Fragebogen zu beantworten.“ Der Fragebogen bewertet, inwieweit die sozialen Bedürfnisse des Teilnehmers befriedigt wurden, d. h. Gefühle der Gruppenzugehörigkeit, Relevanz und Interaktion. Wenn sich der Teilnehmer während des Online-Ballspiels von den anderen Teilnehmern ausgeschlossen fühlte, gab er im Fragebogen an, dass die sozialen Bedürfnisse weniger erfüllt wurden. 

Das Forschungsteam analysiert derzeit Daten aus Messungen der Gehirnaktivität und nutzt dabei die Tatsache, dass das Gehirn die Häufigkeit bestimmter Ereignisse verfolgt. Wenn die anderen Spieler untereinander spielen und den Teilnehmer ausschließen, wird ein unerwartet Einschluss besonders stark verarbeitet. Dies hinterlässt eine Spur in den Gehirnwellen, die zeigt, dass das Gehirn den Ausschluss bemerkt hat. 

Einsamkeit sollte nicht als Isolation oder Alleinsein missverstanden werden. Einsamkeit wird definiert als das Fehlen von Beziehungen, die eine Person braucht oder wünscht, wenn Beziehungen unser grundlegendstes Stammesbedürfnis, Teil einer Gruppe zu sein, nicht erfüllen können. Psychologen identifizieren Einsamkeit auf der emotionalen Ebene (das Fehlen einer Person, mit der man Intimität teilt), auf der sozialen Ebene (das Fehlen der Zugehörigkeit zu einer Gruppe) und auf der kollektiven Ebene (das Fehlen der Zugehörigkeit zu einer größeren Gemeinschaft). 

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