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Freiheit: das Abenteuer der Moderne | Vortragsreihe 2019-2020

  • Département Sciences sociales
    11 novembre 2019
  • Catégorie
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  • Thème
    Sciences sociales

Freiheit macht unsere Würde aus, behauptet Immanuel Kant. Ja, wir sind stolz darauf, uns kritisch reflektieren zu können, uns selbst Regeln zu geben, also autonom zu sein. So erleben wir uns mitunter als Selbst, das sich im Verhältnis etwa zwischen Notwendigkeit und Freiheit zu sich selbst verhält. Obwohl wir frei sind, sind wir nicht souverän, da wir nie alle Handlungszüge kontrollieren können (Hannah Arendt).

Freiheit kann aber auch Angst machen, wie Søren Kierkegaard und Erich Fromm es formulieren. Deshalb gab es immer wieder auch Diskurse, die unterschiedlichen Formen von Fatalismus und Szientismus anhängen.

Ohne Freiheit gibt es keine Ethik, sagen uns die Philosophen. Der Naturalismus und auch einige Neurowissenschaftler bezweifeln die Fähigkeit des Menschen zur Freiheit. Es stellt sich also die Frage, ob Determinismus und Freiheit kompatibel sind. Dabei entbrennt ein neuer „Streit der Fakultäten“ etwa zwischen Hirnforschung und Philosophie (Otfried Höffe).

Gott hat den Menschen zur Freiheit erschaffen, schreibt Origenes. Mit einem Gott ist der Mensch nicht frei, behauptet Sartre. So manch religiöse Gemeinschaft, aber auch Weltanschauung stand ein für die Freiheit. Was dabei herauskam, war nur allzu oft Heteronomie und Entfremdung. Demgegenüber steht etwa die Befreiungstheologie. Grundsätzlich müssen wir uns deshalb fragen, inwiefern wir Unverfügbarkeit (Hartmut Rosa), Leere (Slavoj Žižek), das nichtende Nichts, das „dunkle Licht“ (Meister Eckhart) oder die Rätselhaftigkeit akzeptieren müssen, um Freiheit und Respekt einen Platz einräumen zu können.

Wir sind heute herausgefordert, die Autonomie, für die Generationen vor uns gekämpft haben, weiter einzuüben, immer neu zu gestalten, damit Individualität und Kollektivität sich nicht auf gefährliche Art gegenseitig ausschließen (Marcel Gauchet). Diskutiert werden dabei unter anderem auch die Wahlmöglichkeiten des modernen Menschen, unter Umständen sogar die Umwandlung des eigenen Geschlechts. Welche Konsequenzen werden, gentechnologische Maßnahmen, gedächtniserweiternde Mittel und tragbare oder implantierte Computertechnologie auf uns Menschen und unser Freiheitsverständnis in Zukunft haben?

Wir erleben unser Verhältnis zur Freiheit durchaus als ambivalent. Die moderne Lebenskultur birgt gewaltige freiheitsgefährdende Elemente in sich (Harry Gordon Frankfurt). So bietet die digitale Welt neue Möglichkeiten der Kommunikation und des demokratischen Interagierens. Allerdings riskieren sie auch unsere Autonomie in Gefahr zu bringen: Wie offen dürfen wir unsere Meinung sagen, andere öffentlich bloßstellen und etwa zur Zerstörung einer Partei aufrufen? Autorisiert uns das Recht auf freie Meinungsäußerung dazu, „fake news“ als eigene Meinung oder Sondermeinung zu deklarieren und absichtlich in Umlauf zu bringen?

Welche Konsequenzen hat der technologische Fortschritt für die Freiheit? Welche Konsequenzen hat die Angst vor Pluralismus, Multikulturalität, Orientierungslosigkeit? Wie bewahren wir uns diesbezüglich vor neuer Unterwerfung unter Szientismus und apokalyptische Diskurse, und wie erziehen wir Jugendliche, damit diese das Abenteuer der Freiheit riskieren.

Dies alles sind Fragen, denen wir in dieser Vortragsreihe in diesem akademischen Jahr nachgehen wollen.

Programm

Datum

Referentin/Referent

Titel des Vortrags

30.10.2019

Prof. Dr. Georg Mein (Universität Luxemburg)

Öffentlichkeit und Populismus  (Campus Belval, MSA, Raum 3.010)

26.11.2019

Dr. André Michels (psychalanyste et psychiatre; Luxembourg)

Freud avec Spinoza. De quelle « servitude » l’homme moderne souffre-t-il ?

05.12.2019

Prof. Dr. Dominik Finkelde (Hochschule für Philosophie, München)

‘Jouissance’ als ontologischer Faktor

09.01.2020

Prof. Dr. habil. Chris Doude Van Troostwijk (Luxembourg School of Religion and Society)

‘Geld macht frei’: paradoxes de la digitalisation de l’économie libérale ?

10.02.2020

Dr. Heinrich Kreft (Botschafter der Bundesrepublik Deutschland in Luxemburg)

Freiheit und Religion: Ohne Religionsfreiheit kein Frieden

xx.02.2020

Prof. Serge Lesourd (Université Nice Sophia Antipolis)

La parole ne suffit pas

17.03.2020

Prof. Eberhard Schockenhoff (Albert-Ludwigs-Universität Freiburg)

Zur Freiheit bestimmt: Worauf es im Christentum ankommt

01.04.2020

Prof. Dr. Mouhanad Khorchide (Westfälische Wilhelms-Universität Münster)

Die Freiheit im Islam

23.04.2020

Dr. Hélène L’Heuillet (Sorbonne Université)

Apprendre à aimer la liberté : réflexion sur les populismes et la haine de la démocratie

14.05.2020

Prof. Gregor Maria Hoff (Universität Salzburg)

Posthumanismus und christliches Menschenbild

Ab dem 26.11.2019 finden alle Vorträge von 19:00 bis 21:00 Uhr auf dem Campus Limpertsberg (Raum BSC 1.03) statt.

Intention der Arbeitsgruppe Geisteswissenschaften und Religion

Es scheint uns sinnvoll, einen Freiraum zu schaffen, um über die Bedeutung weltanschaulicher Diskurse und den Platz eines „homo religiosus“ im säkularen Kontext der Moderne nachzudenken und uns auszutauschen. Dieser Freiraum befindet sich dabei jenseits von religiösen Institutionen wie den Kirchen und anderen weltanschaulichen Gruppen.

Zu den Mitgliedern der Gruppe gehören Gerhard Beestermöller, Jean Braun, Roger Davids, Chris Doude Van Troostwijk, René Gonner, Christian Hourscht, Peter Voss und Jean-Marie Weber.

Kontakt: Jean-Marie Weber